Junge Leute braucht das Land!

Die Grüne Werkstatt Wendland

WERKHAUS-Gründer Eva und Holger Danneberg sind Mitglieder der Grünen Werkstatt Wendland und haben in diesem Rahmen schon mehrere Projekte realisiert. Die Grüne Werkstatt Wendland ist ein Verein, der die kreativen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale der Wendland-Region zum Leben erwecken und vor allem die Attraktivität für junge Menschen erhöhen möchte. Mit-Initiator und Vorstand Michael Selig erzählt im Interview, wie der Verein entstanden ist, welche Projekte er realisiert (hat), wie WERKHAUS involviert war und vor welchen Herausforderungen das ländliche Gebiet rund um die Elbe steht.

Was ist das Hauptziel der Grünen Werkstatt Wendland?
Unser Ziel ist, einen Beitrag zur Regionalentwicklung zu leisten. Das machen wir, indem wir Netzwerke spinnen. Im Wesentlichen Netzwerke zwischen Hochschulen und regionaler Wirtschaft. Das ist unser Kerngebiet. Das machen wir seit 2010.
Wie sind Sie für sich auf das Thema Regionalentwicklung gekommen?
Wir sind hier im Landkreis Lüchow-Danneberg und da ist ja Gorleben ein ganz wesentlicher Punkt in der gesamten 40-jährigen Geschichte. Schon seit 1980 gibt es die Idee einer ökologischen Modellregion. Aus dieser Idee, die mich eigentlich nie losgelassen hat, sind viele Initiativen entstanden, die damit zu tun haben. Wir haben 1985 angefangen, bei uns auf dem Hof Kukate einen Pfingstmarkt zu organisieren, um zu zeigen, wie wir eigentlich leben und arbeiten wollen. Als Antwort auf die Nach-Industrialisierung durch die Atomanlagen in Gorleben. Das hat gut funktioniert – zwanzig Jahre lang. Daraus ist dann die kulturelle Landpartie entstanden, die hier auf dem Hof entwickelt wurde. Natürlich macht man nichts allein, aber ohne mich wäre sie wohl nicht entstanden, das ist der entscheidende Punkt.

„Es ist ja immer leicht gegen etwas zu sein und viel schwieriger eine Vision davon zu entwickeln, wofür man denn eigentlich ist“

In welcher Form kooperieren Hochschulen und Unternehmen im Netzwerk?
Wir fragen uns stets: Wie kriegen wir junge Leute in die Region? Wir haben am Anfang Folgendes überlegt: Was haben wir eigentlich schon alles aufgestellt in Bezug auf den Widerstand gegen Gorleben? Welche Alternativen haben wir schon entwickelt? Es ist ja immer leicht gegen etwas zu sein und viel schwieriger eine Vision davon zu entwickeln, wofür man denn eigentlich ist. Und dieses wofür hat dazu geführt, dass wir etwas schaffen wollten, dass das Lebensgefühl und die Idee einer ökologischen Modellregion sichtbar macht. Mit dieser Idee sind wir an die Hochschule in Giebichenstein herangetreten, an eine Professorin, die Spiel- und Lerndesign unterrichtet. Da ist ein Spiel entstanden – das Super GAUdi Spiel. Wir brauchten ein Spiel, das dieses Theater in Gorleben sichtbar macht. Da haben dann auch Spiele- und Lerndesigner aus Halle mitdesignt und produziert hat es die Firma WERKHAUS. Das war erfolgreich! Und es hat eben allen gezeigt, dass weltweit kein Endlager in Sicht ist.

Design Camps und Tiny Living Festival

Spannende Idee!
Ja! Und daraus hat sich auch der Kontakt zu den Hochschulen entwickelt. Junge Leute sind hergekommen, wir haben Design Camps organisiert. Da kam es darauf an, dass sich junge Leute mit Fragestellungen verschiedener Betriebe auseinandersetzen – und da war dann auch WERKHAUS dabei. Eva und Holger Danneberg kennen wir über den Pfingstmarkt ja nun auch schon sehr lange. Und von da hat sich über den persönlichen Kontakt ergeben, dass sie auch Mitglieder der Grünen Werkstatt geworden sind.

Auf der Homepage des Vereins ist die Rede von „schlafenden Potenzialen“ in der Region. Was glauben Sie, wo diese Potenziale liegen?
Die Potenziale liegen in jedem Fall bei den Menschen. Hier hat sich ein buntes Völkchen gesammelt und durch den Widerstand sind auch einige junge Leute in die Region gekommen. Die Bevölkerungsstruktur hat sich grundlegend verändert. Zu einer konventionellen bäuerlichen Landbevölkerung sind viele städtische Einflüsse dazugekommen. Viele junge Leute haben hier demonstriert und haben gesehen, wie schön es hier ist und wie nett die Menschen sind und haben sich hier ihre eigene Existenz aufgebaut. Da knüpfen wir an. Das Zweite ist die besonders starke biologische Landwirtschaft. Wenn in der gesamten Bundesrepublik rund 8 % der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet wird, dann sind es hier an die 30%. Ein weiteres Potenzial hat das Biosphärenreservat, das sich über vier Bundesländer erstreckt. Das ist eine besondere Ecke hier.

Und wie wecken und fördern Sie diese Potenziale?
Das Wendland ist Sehnsuchtsland! Wir erleben derzeit, dass viele Menschen in die Region ziehen wollen und auch ziehen – soweit das geht. Die Immobilienpreise sind explodiert und diese Entwicklung begann 2017. Mehr Menschen ziehen in die Region, als dass sie wegziehen. Es kommen aber nur Menschen, die sich das auch leisten können. Das ist auf der einen Seite richtig gut, die Bevölkerungszahlen wachsen leicht. Aber junge Leute, die Gruppe, die Kinder hat und am Anfang des Berufslebens steht, hat nicht genug Geld. Es gibt kaum Mietwohnungen, sondern eigentlich nur Eigentum. Wer nun kein Eigentum bilden kann, hat keine Chance darauf hier Fuß zu fassen. Also können nur gut situierte Menschen sich hier ansiedeln. Langfristig läuft es darauf aus, dass wir hier zum Altenheim werden, wenn sich nichts ändert. Hier gucken wir jetzt, wie wir einen Bestand an Wohnmöglichkeiten herrichten können, der für junge Leute angebracht ist und zwar zu Bedingungen, die man sich leisten kann.

Tiny Living ist vielleicht die Lösung. Sie haben ja auch das initiiert, WERKHAUS hat sich dort auch engagiert…
Das Festival ist ein kleines Wunder. Wir wollten es erstmal klein lassen, aber es kamen unglaublich viele Besucher aus ganz Deutschland. Das hat uns richtig überrascht. Es war eine Art Kongress und die Leute haben viele Ideen zum nachhaltigen Lebensstil mitgebracht – ein sehr konstruktiver Austausch.

Was sind die nächsten Meilensteine?
Im Moment haben wir ein Projekt, das seit September läuft. Das ist ein Projekt des Ministeriums für Bildung und Forschung. Da geht es um Wandel durch Innnovation. Um im Gebiet des Biosphärenreservats eine nachhaltige, sich selbsttragende Struktur zu entwickeln. Wie kann man also dafür sorgen, dieses Gebiet zu einer Kernzone des nachhaltigen Lebensstils zu machen? Es sind drei Hauptthemen, die uns dabei beschäftigen: Neue Arbeit, neue Wege und neues Wohnen. Diese drei Begriffe muss man zusammenhängend betrachten. Leben und arbeiten ist für Junge auf dem Land schön und gut, aber sie wollen auch flexibel sein und ab und zu die Kultur des urbanen Raums, das heißt in umliegenden Städten genießen können und dafür muss es eine gute Infrastruktur geben, die auch ohne Auto funktioniert. Und bei neuer Arbeit geht es sicher nicht darum, einfach nur mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sondern neue Formen sinnstiftender und gemeinwohlorientierter Arbeit zu entwickeln. Und da arbeiten wir dann mit Professoren und Professorinnen zusammen, um zu schauen, was es für praxistaugliche Lösungen gibt.

Geballte Power im PostLab

Was hat es mit dem PostLab in Lüchow auf sich? Im gleichen Gebäude sitzt auch das WERKHAUS destinature Team!
Wir treffen uns regelmäßig mit Eva und Holger und dem destinature Team und denken darüber nach, welchen Beitrag wir leisten können. Wir sind, wie man neudeutsch so schön sagt, eine Art Think Tank. Es hat sich so entwickelt, dass WERKHAUS das ganze Postamt übernommen hat und den Komplex nun besitzt. Die Grüne Werkstatt ist Untermieter des gesamten Erdgeschosses und wir vermieten es weiter an Projektteams, die Platz für Co-Working brauchen. Oben sitzt die Kreisverwaltung mit allen Leuten, die sich mit Regionalentwicklung und der Zukunft des Landkreises auseinandersetzen. Hier sitzen die Wirtschaftsförderung und die Willkommens- beziehungsweise Fachkräfteagentur „Wendland leben“ die den Auftrag hat, Menschen zu unterstützen, die ins Wendland zurückkommen oder junge Menschen, die sich hier ansiedeln wollen. Es gibt ein sehr gutes Miteinander und eine gute Zusammenarbeit mit dem Ziel, Lüchow-Dannenberg für die Zukunft fit zu machen. Jeder leistet seinen Beitrag, ohne den Anderen auf den Füßen zu stehen. Wir befruchten uns gegenseitig!
Destinature ist der Hauptakteur im PostLab. Man kennt sich untereinander und das ist sehr wichtig – auf WERKHAUS ist da schon viel Verlass. Ohne diesen Standort wäre die Grüne Werkstatt nicht das, was sie heute ist. Hier gilt es auch einmal Dankeschön zu sagen an Holger und Eva, die uns das alles ermöglicht haben. Es fühlt sich nicht wie ein Mietverhältnis an, sondern eher wie eine gemeinsame Mission. Es ist ein konstruktives Miteinander, getragen von einer gemeinschaftlichen Idee. Das ist das Entscheidende und ist lange durch persönliche Beziehung entstanden – das lässt sich von außen nicht bestimmen.

Wie beeinflusst die aktuelle Klimadebatte Ihre Arbeit?
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg hat einen Masterplan für 100% Klimaschutz verabschiedet. Alles, was im Landkreis geplant ist muss auf Klimarelevanz geprüft werden. Das hat natürlich auf das eigene Handeln Auswirkungen. Dabei ist die Verantwortung des Einzelnen entscheidend – ich muss mir selbst über die Konsequenzen meines Lebensstils bewusst sein. Insofern steht auch das Handeln der Grünen Werkstatt immer unter der Prämisse der Nachhaltigkeit. Im PostLab zum Beispiel hängen alle 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Das hat uns WERKHAUS gedruckt und die SDGs sind Gebot der Stunde!

Interview: Jennifer Wilke